Vom 29. November bis 1. Dezember 2013 fand das Dritte Internationale Intersex Forum, unterstützt von der ILGA und ILGA-Europa, in Valletta, Malta, statt. Diese Veranstaltung brachte 34 Aktivist_innen und Repräsentant_innen von 30 Intersex-Organisationen aus allen Kontinenten zusammen.
Präambel
Wir bekräftigen, dass intergeschlechtliche Menschen real sind und wir in allen Regionen und in allen Ländern der Welt existieren. Daher müssen intergeschlechtliche Menschen Unterstützung erfahren, damit sie in allen sozialen, politischen und gesetzlichen Veränderungsprozessen, die sie betreffen, zu Entscheidungsträgern werden. Wir bekräftigen die Grundsätze der Ersten und Zweiten Internationalen Intersex Foren und erweitern die Forderungen mit dem Ziel, die Diskriminierung intergeschlechtlicher Menschen zu beenden und das Recht auf körperliche Unversehrtheit, körperliche Autonomie und Selbstbestimmung zu gewährleisten.
Forderungen
- Schluss mit den Verstümmelungs- und ‚Normalisierungs’-Praktiken wie Genitaloperationen, psychologischen und anderen medizinischen Behandlungen – mithilfe legislativer und anderer Mittel. Intergeschlechtliche Menschen müssen befähigt und bestärkt werden, selber die Entscheidungen, bezüglich ihrer eigenen körperlichen Unversehrtheit, der körperlichen Autonomie und Selbstbestimmung, eigenverantwortlich treffen zu können.
- Schluss mit der Präimplantationsdiagnostik, dem pränatalen Screening, der pränatalen Behandlung und der selektiven Abtreibung von Intersexföten.
- Schluss mit der Kindstötung und der Ermordung von intergeschlechtlichen Menschen.
- Schluss mit uneingewilligter Sterilisierung von intergeschlechtlichen Menschen.
- Entpathologisierung der Variationen von Geschlechtsmerkmalen innerhalb medizinischer Leitlinien, Protokollen und Klassifikationen, wie der WHO International Classification of Diseases (ICD).
- intergeschlechtliche Kinder als weiblich oder männlich registrieren, in dem Bewusstsein, dass sie sich, wie alle Menschen, im Laufe ihrer Entwicklung mit einem anderen Geschlecht identifizieren könnten.
- Sicherstellen, dass der Geschlechtseintrag auf Antrag von der betroffenen Person in einem einfachen Verwaltungsverfahren abänderbar ist. Alle Erwachsenen und handlungsfähige Minderjährige sollten zwischen weiblich (F), männlich (M), nicht-binär oder mehreren Optionen gleichzeitig wählen können. In Zukunft sollte, wie bei Rasse oder Religion, Geschlecht keine Kategorie in Geburtsurkunden oder Ausweisdokumenten mehr sein.
- Das Bewusstsein für intergeschlechtliche Themen und die Rechte von intergeschlechtlichen Menschen in der gesamten Gesellschaft schärfen.
- Schaffung und Förderung von unterstützenden, sicheren und würdigen Orten für intergeschlechtliche Menschen, ihre Familien und in ihrem Umfeld.
- Sicherstellen, dass intergeschlechtliche Menschen das Recht auf alle Informationen und den Zugang zu den eigenen medizinischen Unterlagen und ihrer Geschichte bekommen.
- Sicherstellen, dass alles Fachpersonal und Dienstleistende in der gesundheitlichen Fürsorge, die eine besondere Rolle für das Wohlbefinden der intergeschlechtlichen Menschen spielen, entsprechend geschult sind, um eine qualitativ hochwertige Behandlung zu gewährleisten.
- Gebührende Anerkennung des Leidens und des Unrechts, das intergeschlechtliche Menschen in der Vergangenheit erleiden mussten sowie die Bereitstellung von angemessenen Entschädigungen, von Wiedergutmachung, Unterstützung für den Zugang zum Recht und dem Recht auf Wahrheit.
- Inter* Anti-Diskriminierungsgesetzgebungen, neben anderen Diskriminierungsmerkmalen, aufbauen oder erweitern und Schutz vor intersektionaler Diskriminierung gewährleisen.
- Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte für intergeschlechtliche, darunter das Recht zu heiraten und eine Familie zu gründen
- Zugang zum Leistungssport auf allen Ebenen, in Übereinstimmung mit ihrem eingetragenen Geschlecht. Inter* Athleten, die gedemütigt oder ihrer Titel beraubt worden sind, sollten Wiedergutmachung und Wiederherstellung erfahren.
- Zur Kenntnis nehmen, dass Medikalisierung und Stigmatisierung von intergeschlechtlichen Menschen zu erheblichen physischen und psychischen Verletzungen führt.
- In Hinblick darauf, die körperliche Unversehrtheit und das Wohlbefinden von intergeschlechtlichen Menschen zu gewährleisten, sollte für intergeschlechtliche Menschen und deren Familien sowie Pflegedienstleistenden autonome, nicht- pathologisierende, psychosoziale Unterstützung und Peer-Support zeitlebens (nach eigenem Wunsch) zur Verfügung stehen.
In Anbetracht dieser Forderungen appelliert das Forum folgend:
- Internationale, regionale und nationale Menschenrechtsinstitutionen mögen sich Inter*-Themen annehmen, sichtbar machen und in ihre Arbeit einfließen lassen.
- Die nationalen Regierungen mögen sich den genannten Anliegen des Internationalen Intersex Forum widmen, um adäquate Lösungen, in direkter Zusammenarbeit mit Inter*-Vertreter_innen und -Organisationen, zu entwickeln.
- Öffentliche Medien mögen die Rechte intergeschlechtlicher Menschen auf Privatsphäre und Würde wahren und eine präzise und ethische Berichterstattung garantieren.
- Förderer mögen sich Inter*-Organisationen öffnen und sie im Kampf um mehr Sichtbarkeit unterstützen, ihre Fähigkeiten stärken und sie beim Aufbau von Wissen um ihre Menschenrechte bekräftigen.
- Menschenrechtsorganisationen mögen dazu beisteuern, zwischen sich und Inter*Organisationen Brücken zu schlagen um eine gemeinsame Basis für gegenseitige Unterstützung zu schaffen. Dies sollte im Geiste von Zusammenarbeit geschehen und niemand sollte Inter*-Themen als Mittel für andere Zwecke instrumentalisieren.